Spruch des Tages: "Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen." (Johannes 12,32)
Gedanken zum Predigttext für Christi Himmelfahrt
Wie stellen Sie, wie stellt ihr euch Christi Himmelfahrt vor?
So wie Gerhard Polt in seinem Buch "Halleluja. Die Bethlehem-Sage?"
Ten, nine, eight, seven, six, five, four, three, two, one, zero. Jiiiiiiiiiiiiiiiii … Hu, weg isser. (Soundtrack)
Ich hoffe nicht.
Aber eins stimmt daran. Der Auferstandene ist nun endgültig weg. Aus den Augen. Aus den Sinnen. Hören, riechen, schmecken, tasten, sehen können wir ihn seit seiner Himmelfahrt nicht mehr.
Heute feiern wir ein zweites Ostern – und erfrischen unsere Hoffnung, dass die körperliche Entfernung durch den Geist überwunden werden kann. Dass wir im Geist dennoch eins sind: nicht nur über 1,5 Meter, sondern über tausende von Kilometern hinweg.
Räumliche Distanzierung – das ist für uns nicht neu. Kinder, Eltern, Großeltern leben nicht am gleichen Ort. Die besten Freunde in einer anderen Stadt, in einem anderen Land. Für einige Zeit oder auf Dauer. Das gab es schon immer. Und schon immer schmerzte die Ferne diejenigen am meisten, die besonders eng verbunden sind.
Abstand halten – nicht aus Abneigung, sondern aus Liebe und Fürsorge. Das ist seit Corona als verordnete Massenerfahrung allerdings neu. Den Liebsten nicht mehr die Hand geben, über den Kopf streicheln, einen Kuss geben dürfen – weil er oder sie eine potentielle Virenschleuder ist, die den Tod mit sich bringen könnte.
Heute feiern wir Christi Himmelfahrt. Heute feiern wir das Symbol, dass wir verbunden sind trotz räumlicher Entfernung. Trotz ein Meter fünfzig Abstand. Aber: vor Ostern war Karfreitag. Der Tod ist die endgültigste Erfahrung, dass ein Mensch aus meinem Leben entfernt wird. In aller Endgültigkeit. Auf diese schmerzhafte Erfahrung können wir uns kaum vorbereiten. Und doch versucht Jesus das. Mit einem Gebet versucht er die Seinen und uns einzustimmen und zu trösten.
Der Evangelist Johannes hat das Gebet geschrieben. Sein Jesus ist darin ganz hin- und hergerissen: zwischen der Freude, zu seinem Vater zurückzukehren, mit ihm wieder eins zu sein, und seiner Sorge, die Seinen könnten sich zerstreiten und die Einheit verlieren, wenn er nicht mehr unter ihnen ist.
Nähe und Verlust der Nähe, Einheit und Verlust der Einheit liegen hier ganz dicht beieinander. Denn: Nicht selten fliegt eine Gemeinschaft auseinander, wenn die Leitfigur, das Bindeglied, nicht mehr da ist. Hören wir, wie Jesus bei Johannes im 17. Kapitel zu seinem Vater betet und um was er ihn bittet.
Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, dass sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.
Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, auf dass sie eins seien, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, auf dass sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.
Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe die Welt gegründet war.
Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich, und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.
Johannes 17,20-26
Wie geht es weiter mit den Meinen, mit meiner Kirche nach meinem Tod, fragt sich Jesus. Was hält sie zusammen, wenn ich es nicht mehr kann. Er sorgt sich um ihre Einheit. Um ihrer Glaubwürdigkeit willen. Um der Glaubwürdigkeit der Botschaft willen, dass Jesus Christus und der Vater eins sind. In Jesus ist Gott selber auf die Erde gekommen. Und seine Jüngerinnen und Jünger, wir, sollen nun diese Einheit leben. Als Abbild der Einheit Gottes.
An Pfingsten, so sagen wir, feiern wir die Geburt der Kirche. Aber was feiern wir an Christi Himmelfahrt? Ich glaube, ein Paradoxon: nämlich das Erwachsenwerden der noch nicht geborenen Kirche. Die „Eltern“ verlassen das Haus. Und nun müssen die Kinder selber zusehen, wie sie klarkommen. Ohne Hilfe und ohne Trost sollen sie dabei freilich nicht bleiben. In zehn Tagen ist Pfingsten. Da kommt der Heilige Geist herab auf alle die, die zuvor in den Himmel gestarrt haben. Und dieser Geist tut das, um was Jesus gebeten hat: Er verbindet die Seinen untereinander und mit Gott. Er macht die Vielen zu Gliedern am einen Leib Christi. Er vernetzt, die über die ganze Welt zerstreut sind mit einem unsichtbaren Band. Und ermöglicht so Nähe über Distanz hinweg.
Freilich: Schauen wir uns die Kirche heute an, dann sehen wird: Die Sorge des johanneischen Jesus war berechtigt. So viel uns verbinden mag: Eine Einheit sind wir Christen offensichtlich nicht. Weltweit trennt uns in den Kirchen offensichtlich Einiges. Unsere Lebenswirklichkeiten und Lebensweisen sind oftmals vollkommen verschieden. Ebenso unsere Traditionen und Ansichten zu theologischen Grundfragen und ethischen Überzeugungen.
Und so entsteht, ich glaube unter irdischen Bedingungen zwangsläufig, um der Freiheit des Geistes und der Auslegung der Schrift willen, aber auch aus der räumlichen Distanz heraus: soziale Distanz, mangelnde Nähe, Unverständnis füreinander, Fremdheitserfahrungen.
Wie können wir diese Distanz überwinden? Ein Beispiel: Heute werden wir für Partnergemeinden in der weltweiten Ökumene sammeln. Partnergemeinden in Afrika und anderswo auf der Welt. Eine Kollekte als ein Zeichen unserer Verbundenheit. Es ist ein Versuch, ein Zeichen zu setzen, soziale und räumliche Distanz zu überwinden.
Wenn wir ehrlich sind: Das Band, das uns verbindet, ist locker. Das Schicksal der Brüder und Schwestern im Geist unseres einen Herrn ist uns oft sehr fern und fremd. Sie liegen uns nicht ständig am Herzen. Und umgekehrt ist es vermutlich genauso.
Aber gerade darum ist eine Kollekte so wichtig. Sie ist ein Zeichen für eine Verbundenheit, die wir in unseren Herzen nicht haben und die uns doch schon geschenkt ist. Durch den einen Geist. Wir wissen wenig von euch und ihr von uns. Und doch: der eine Geist verbindet uns, darum seid ihr uns wichtig.
Schon die ersten Gemeinden kannten diese soziale Distanz durch räumlichen Abstand. Schon Paulus sammelte bei seinen heidenchristlichen Gemeinden eine Kollekte für die judenchristliche Gemeinde in Jerusalem. Unter unglaublich vielen Mühen und Gefahren. Weil er die im Geist gewiss bestehende Einheit der Gemeinden Christi sichtbar machen wollte. Ein Zeichen für die Einheit der Kirchen aus dem einen Geist Gottes.
Gott kommt auf die Erde, wird Mensch. Gott fährt in den Himmel – um wieder Gott zu sein. Sind wir darum gottverlassen? Ist Gott uns darum nicht mehr nahe? Nein.
Und darum feiern wir Himmelfahrt und Pfingsten. Weil wir die körperliche Nähe Gottes auf Erden nicht mehr nötig haben. Denn wir sind erwachsen geworden. Gott sei Dank. Sein Geist ist uns gegeben. Darauf bauen wir unsere Kirche. Allen Distanzerfahrungen zum Trotz. Allen Uneinigkeiten zum Trotz. Allen Fremdheitserfahrungen zum Trotz. Allen steinernen Herzen zum Trotz.
Wir hörten es schon: Seht nicht in den Himmel, der über euch ist, wenn ihr Jesus Christus sucht. Denn Gott ist nicht da, wo der Himmel ist – sondern da, wo Gott ist, ist der Himmel. Also herab mit dem Blick. Weg vom Himmel, runter auf die Erde. Weil Gott unter uns ist. Mit seinem Geist. Und der verbindet uns. Ob wir es erkennen und fühlen oder nicht. Hier in St. Nicolai auf ein Meter fünfzig. In Bothfeld auf zwei Kilometer Entfernung. Weltweit über tausende Kilometer hinweg. Darauf ist die eine Kirche gebaut. Und darauf vertrauen wir, auf die eine Gemeinschaft der Christinnen und Christen.
Der Himmel ist da, wo Gott ist. Er ist uns nahe, weil er uns seinen Geist gegeben hat. Und das ist kein Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
So steht es auf dieser Kerze. Am Ausgang gibt es auch für Sie und euch eine Kerze. Nehmt sie mit. Denn es gibt etwas zu feiern.
Pastor Dirk Rademacher
Gebet
Vater unser.
Du bist unser Vater,
Du zeigst uns den Himmel,
Christus, du Auferstandener.
Du bist unser Himmel.
Komm mit dem Himmel zu uns.
Wohne in unseren Herzen,
damit deine Liebe uns verwandelt,
damit wir eins sind,
damit wir einander vertrauen,
damit wir einander vergeben,
damit wir einander helfen.
Komm mit dem Himmel zu den Schwachen.
Lebe mit ihnen,
damit ihnen neue Kräfte wachsen.
Komm mit dem Himmel zu den Kranken.
Heile sie,
damit sie aufatmen
und wir einander wieder berühren.
Komm mit dem Himmel zu den Mächtigen.
Leite sie,
damit sie dem Frieden dienen
und der Gerechtigkeit aufhelfen.
Komm mit dem Himmel zu unseren Kindern.
Begeistere sie,
damit sie lernen, das Gute zu tun.
Christus, du Auferstandener,
der Himmel ist in uns.
Du bist unser Himmel,
heute und alle Tage.
Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.
Geistliche Angebote der Evangelischen Kirchen:
Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers überträgt sonntags ab 8 Uhr eine Andacht unter www.landeskirche-hannovers.de.
Eine Übersicht über Fernseh- und Radiogottesdienste finden Sie hier.
Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands schlägt einen Ablauf für einen Gottesdienst am Sonntagmorgen für zuhause oder unterwegs vor unter dem Titel: Gebet zum Glockenläuten am Sonntagmorgen.
Wer Twitter nutzt, kann sich unter Twomplet um 7 Uhr morgens und um 21 Uhr abends zu einer Gebetsgemeinschaft zusammenschließen.
Die Evangelische Kirche in Deutschland lädt ein zum Balkonsingen. Jeden Abend um 19 Uhr mit dem Lied: Der Mond ist aufgegangen, Bewahre uns, Gott oder Gott hält die ganze Welt.