Gedanken zum Sonntag / Misericordias Domini

Wochenspruch: Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.
Joh. 10, 11a.27-28a

 

Predigttext für den Hirtensonntag (Misericordias Domini – Gottes Barmherzigkeit), 26. April 2020

(18 Ihr Sklaven, ordnet euch euren Herren unter und achtet sie. Dies betrifft nicht nur die guten und freundlichen, sondern gerade auch die unberechenbaren. 19 Denn das ist Gnade: Wenn jemand Schweres geduldig erträgt und sogar zu Unrecht leidet – und das, weil er weiß, dass er in seinem Gewissen Gott verpflichtet ist. 20 Welchen Ruhm soll es euch denn einbringen, wenn ihr Schläge aushaltet, weil ihr Unrecht tut? Aber wenn ihr Gutes tut und deswegen Leiden ertragt – das ist wirklich eine Gnade von Gott. Dazu hat er euch nämlich berufen.)

Denn auch Christus hat für euch gelitten. Er hat euch ein Beispiel gegeben, damit ihr ihm in seiner Fußspur nachfolgt. Er hat keine Schuld auf sich geladen und aus seinem Mund kam nie ein unwahres Wort. Wenn er beschimpft wurde, gab er es nicht zurück. Wenn er litt, drohte er nicht mit Vergeltung. Sondern er übergab seine Sache dem gerechten Richter.
Er selbst hat unsere Sünde mit seinem eigenen Leib hinaufgetragen an das Holz. Dadurch sind wir für die Sünde tot und können für die Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt. Ihr wart wie Schafe, die sich verirrt hatten. Aber jetzt seid ihr zu eurem Hirten und Bischof eurer Seelen zurückgekehrt.
1. Brief des Petrus 2, 21-25

Anregung: Wenn Sie mögen, gehen Sie doch einen Moment Ihren Empfindungen und Gedanken nach. Welche Bilder, Gedanken und Motive sprechen Sie in diesem Briefabschnitt an? – Und: Gibt es Gedanken, bei denen Sie Unbehagen oder gar Ablehnung empfinden? Was könnte die Ursache dafür sein?

 

Gedanken zum Predigttext

Was ist nur aus dem Hirten geworden? Und was aus den Schafen? Zu Sklaven sind die Schafe geworden – sind wir Christinnen und Christen geworden. Durch Christus, den Hirten. Und zu was ist Christus geworden, wenn wir Sklaven sind? Ein Sklavenhalter, der zur bitteren Gnade des Leidens einlädt und zur Unterordnung auffordert, weil er selber im Leiden ein Vorbild sein will?

Der Autor des Briefes, ich nenne ich bei seinem eigenen Namen: Petrus, muss diesen Gedanken mit Blick auf die Gemeinde, an die er schreibt, als tröstlich verstanden haben. Sie lebt Anfang des 2. Jahrhunderts im vorderasiatischen Raum und ist heftigen Anfeindungen ausgesetzt. Als Feuerglut und Fremde empfindet sie ihre Situation. Unrecht und Verfolgung um ihres christlichen Glaubens willen prägen ihren Alltag. Petrus fordert von ihnen, das Unrecht zu erdulden, Schläge zu ertragen, Beschimpfungen auszuhalten. Dagegen aufzubegehren ist keine Wahlmöglichkeit, stilles Dulden die einzig zulässige Option. Und warum? Weil es Christus genauso ergangen ist, als er den Tod am Kreuz starb, um die Schuld für seine Schafe auf sich zu nehmen.

Mahnungen an die Sklaven überschreibt die Lutherbibel diesen Abschnitt, Mahnung an in der Antike völlig unbedeutende Halbmenschen.

Fastenzeit, Passionszeit. Am zweiten Sonntag nach Ostern erwarte ich, und Sie vielleicht auch, von Gottes Botschaft eigentlich mehr als nur die Aufforderung, Christus wie ein Sklave ans Kreuz zu folgen und Unrecht still zu erleiden. Nein, dieser Blick auf das Kreuz ist mir zu eng: Der Umgang mit Leiden in dieser Welt erschöpft sich – auch biblisch – nicht darin, es zu akzeptieren und sich dem Vorgegebenen wie Sklaven unterzuordnen. Das soll doch nicht wirklich eine christliche Tugend sein, wenn Ostern vielmehr meine Hoffnung begründet, mit Leben den Tod zu vertreiben und das Erleiden in aktives Tun zu verwandeln.

Ein Blick auf die Verse vor dem Predigttext kann meines Erachtens helfen: „Denn das ist Gnade: Wenn jemand Schweres geduldig erträgt und sogar zu Unrecht leidet – und das, weil er weiß, dass er in seinem Gewissen Gott verpflichtet ist.“ (V. 19) Hier entsteht für mich eine neue Perspektive, ein neues Verständnis von Sklaven! Nicht mehr irrelevanter Hausstand, sondern Menschen, die sich bewusst dafür entscheiden, den Weg in eine bestimmte Form der Nachfolge zu gehen. Aus Gewissensgründen! Geschenkt! Aus Gnade!

Aus Gewissensgründen – könnte man zu Zeiten der Wehrpflicht den Kriegsdienst verweigern. Wer das tat, der musste, zumindest zu meiner Zeit, einer Kommission oder in letzter Instanz sogar einem Richtergremium gegenüber, darlegen, wie es zu dieser Gewissensentscheidung gekommen war. Der Staat selber setzte damit eine elementare Grundpflicht seiner Bürger aus – weil er ihn als mündiges, ethisch verantwortliches Subjekt betrachtet.

Ich stelle mir vor, dass es Petrus ähnlich meint und mich fragt: Was macht dich aus in deinem Christsein? Wer bist du als religiöser Mensch – also als ein Mensch, der sich in seinem Tun und Erdulden gegenüber einer höheren Instanz zu rechtfertigen weiß?

Petrus hat da eine klare Erwartung und formuliert sie gegenüber seiner Gemeinde auch: „Seid untereinander einig, mitfühlend, voller Liebe zu den Brüdern und Schwestern, barmherzig und bescheiden … segnet.“ (1. Petr. 3,8) Mit Schafs- oder Sklaventreue kommt ein Christenmensch da nicht weit. Mitgefühl, Barmherzigkeit, segenvolles Wirken lassen sich so wenig verordnen wie sklavisch befolgen. Sie wachsen vielmehr in denen, die sich durch Ostern als neu Geborene und mit einer lebendigen Hoffnung als Beschenkte wissen, aus innerstem Antrieb heraus.

Petrus scheint mir darin durchaus aktuell zu sein. Wer bin ich eigentlich in einer Krise wie der jetzigen? Potentiell oder tatsächlich Tod bringende Virenschleuder oder vorerkranktes Schutzobjekt? Systemrelevanter Faktor und Held des Corona-Alltags oder außen vor bei der Vergabe von Plätzen in der Kita-Notgruppe? Wie sehr beschädigt es unser Selbstverständnis als Vater oder Mutter, Sohn oder Tochter, vielleicht auch als Freund oder Freundin, wenn ich körperliche Distanz wahren muss statt Nähe üben darf?

Ich merke jedenfalls, dass das etwas in mir verändert. Wie genau sich Segen, Mitgefühl und Barmherzigkeit in einer bestimmten Situation und bestimmten Menschen gegenüber äußern, dafür gibt es eben keine Blaupause, kein Patentrezept – weder in normalen noch in Krisenzeiten. Freies Tun ist eben kein sklavisches Abarbeiten eines Aufgabenkataloges, sondern ein immer wieder neu vor dem Gewissen und vor Gott verantwortetes Handeln. Und da wir nie alternativlos, sondern immer zwischen Handlungsalternativen entscheiden müssen, bleibt weder unser Tun noch das von Politikern frei von Irrtümern und Schuld. Der Gesundheitsminister hat es sogar öffentlich ausgesprochen. Darum sollten wir auch in dieser österlichen Zeit das Kreuz nicht ganz aus dem Blick verlieren, ist es doch der Ort, an dem auch unsere Schuld zu Kreuze getragen wurde.

Grüßt euch untereinander mit dem Kuss, der Ausdruck eurer geschwisterlichen Liebe zueinander ist. So schließt der Petrusbrief. Ohne Gemeinschaft und Nähe kann sich Petrus keine christliche Gemeinde vorstellen. Die geschwisterliche Liebe können wir gerade in diesen Zeiten phantasievoll wirklich werden lassen. Mit dem Kuss ist das schon schwieriger. Er bleibt ein Versprechen auf die Zukunft.

Pastor Dirk Rademacher

 

Gebet

Du bist mein Hirte, Gott.
Mir fehlt es an nichts.

Die Weiden sind saftig grün.
Hier lässt du mich ruhig lagern.

Du leitest mich zu kühlen Wasserstellen.
Dort erfrischst du meine Seele.

Du führst mich auf rechtem Weg,
dafür stehst du mit deinem Namen ein.

Wenn ich durch ein finsteres Tal muss,
fürchte ich keine Gefahr.
Denn du bist an meiner Seite!
Dein Stock und dein Stab
schützen und trösten mich.

Du deckst für mich einen Tisch
vor den Augen meiner Feinde.
Du salbst mein Haar mit duftendem Öl
und füllst mir den Becher bis zum Rand.
Nichts als Liebe und Güte begleiten mich
alle Tage meines Lebens.

Mein Platz ist in deinem Haus, Gott.
Dorthin werde ich zurückkehren –
mein ganzes Leben lang!

(nach Psalm 23, Übersetzung: Basisbibel)

 

Geistliche Angebote der Evangelischen Kirchen:

Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers überträgt einen Gottesdienst zum Sonntag Misericordias Domini aus der Kirche zum Heiligen Kreuz in Sehnde mit Pastorin Damaris Frehrking.

Eine Übersicht über Fernseh- und Radiogottesdienste finden Sie hier.

Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands schlägt einen Ablauf für einen Gottesdienst am Sonntagmorgen für zuhause oder unterwegs vor unter dem Titel: Gebet zum Glockenläuten am Sonntagmorgen.

Wer Twitter nutzt, kann sich unter Twomplet um 7 Uhr morgens und um 21 Uhr abends zu einer Gebetsgemeinschaft zusammenschließen.

Die Evangelische Kirche in Deutschland lädt ein zum Balkonsingen. Jeden Abend um 19 Uhr mit dem Lied: Der Mond ist aufgegangen, Bewahre uns, Gott oder Gott hält die ganze Welt.