Kulturkirche

Video anzeigen

Kultur>>>Kirche

„Vom Kriegerdenkmal zum Friedensmahnmal“

Unter dieser Überschrift steht das als Friedensarbeit konzipierte Projekt, das die Ev.-luth. St. Nicolai-Kirchengemeinde Bothfeld in Kooperation mit der IGS Bothfeld Kulturschule und in Zusammenarbeit mit der Kestner Gesellschaft Hannover durchführt und das die Hanns-Lilje-Stiftung als Kulturarbeit in Kirchen fördert. 

Es nimmt die am St.-Nicolai-Kirchturm gelegenen Denkmäler zum Ersten und Zweiten Weltkrieg auf und verbindet sie mit der Doppel-Stele Frieden des Lübecker Künstlers Winni Schaak, die am 11. November 2018, dem Tag, an dem sich zum 100. Mal das Ende des Ersten Weltkrieges in Deutschland jährt, enthüllt werden soll. Im evangelischen Gottesdienstkalender wird der Sonntag auch als Friedensonntag geführt.

 

Soldatendenkmal zum Ersten Weltkrieg mit Namenstafel; davor der Gedenkstein zum Zweiten Weltkrieg

Ausgangspunkt des Projektes ist das 1923 errichtete Kriegerdenkmal zum Ersten Weltkrieg am Kirchturm von St. Nicolai: ein steinerner überlebensgroßer Soldat und eine Tafel mit 111 Namen Gefallener aus Bothfeld und Umgebung. Zu den Füßen des Denkmals findet sich eine Steintafel, die dort 1961 niedergelegt wurde und mit der Inschrift „Zum Gedächtnis der Gefallenen und Opfer der Heimat in den Kriegsjahren 1939/45“ versehen ist.

Der Gedenkort liegt unmittelbar am Schulweg von der Stadtbahnhaltestelle zur IGS Bothfeld – und doch wird er von Schülern und Passanten kaum wahrgenommen. Und auch in der Kirchengemeinde selbst rückt das Kriegerdenkmal nur am Volkstrauertag in den Focus, wenn der Stadtbezirksbürgermeister nach dem Gottesdienst einen Gedenkkranz der Stadt Hannover niederlegt.

Das Projekt besteht aus sechs Teilprojekten:


Projekt 1: Auseinandersetzung mit dem Kriegerdenkmal zum Ersten Weltkrieg

Die Schülerinnen und Schüler des Wahlpflichtkurses Gesellschaftslehre der 9. Jahrgangsstufe setzen sich seit März 2018 mit dem ersten Weltkrieg auseinander. Das Denkmal „Trutziger Soldat“, das sich zum Gedenken an der St. Nicolai-Kirche befindet, steht im Mittelpunkt. Was hätte der Soldat, der stellvertretend für alle Soldaten steht, uns zu berichten? Wie kam es zur Kriegsbegeisterung? Wie veränderte sich der Soldat durch die Begegnung mit der Realität des Kriegsalltags? Wie erging es den Überlebenden? Wie können wir uns an den Ersten Weltkrieg erinnern?

Soldatendenkmal zum Ersten Weltkrieg mit Namenstafel; davor der Gedenkstein zum Zweiten Weltkrieg


Projekt 2: Vom Kriegerdenkmal zum Friedensmahnmal: Wieviel Krieg steckt in unserem Frieden?

Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 9 setzten sich mit der Thematik in Form von Sprache auseinander. In dazu stattfindenden Workshops befassten sie sich mit den Begriffen des geplanten Friedensmahnmal: Liebe, Friede, Freiheit, Schutz, Achtung, Familie, Gemeinschaft und Welt. Die besten Texte wurden bei pEACE sLAM, einer Poetry-Slam-Veranstaltung u.a. mit Ninia LaGrande, Klaus Urban, Spax und Julia Sander in der St. Nicolai-Kirche vorgetragen.

Krieg in mir ...

Bei Krieg
denken alle immer gleich
an ein Schlachtfeld,
verwüstete Städte,
Leichenberge,
Rauch.
Doch ich denke
an den Krieg
in mir.
Den Krieg
von Gedanken und Gefühlen,
die ich nicht erklären kann.
Sie bekriegen sich,
egal welche Opfer es kostet.
Ich kann nichts dagegen tun,
außer dasitzen
und weinen,
zittern und schreien.
Meine Träume
sind die Opfer dieses Krieges.
Sie fallen zu Boden
wie erschossene Soldaten. ...
 
Es sind tausende Stimmen in mir
laut wie Bomben.
Im Hintergrund verzweifelte Schreie
und verbittertes Weinen.
Alles vermischt sich
mit meinem eigenen Empfinden.
Alles vermischt sich
zu einer lauten dröhnenden Masse.
Meine Ohren pochen,
die Bomben explodieren.
Egal wie fest
ich mir die Ohren zuhalten,
die Stimmen werden nicht leiser. 
Der Krieg geht immer weiter. 
Irgendwann ist der Krieg
hoffentlich vorbei.
Egal, wie hoch der Preis dafür ist. 
Hauptsache, es ist vorbei.
Das Weinen, vorbei.
Das Schreien, vorbei.
Die Schmerzen, vorbei.

 Maya, 9. Jahrgangsstufe IGS Bothfeld


Projekt 3: Unser Friedensmahnmal

Schülerinnen und Schüler des fünften Jahrgangs erstellten „Unser Friedensmahnmal“.

Sowohl im Kooperativen Religionsunterricht wie auch im Fach Gesellschaftslehre setzten sich die Schüler mit dem Thema „Kinderrechte“ auseinander. Der Themenschwerpunkt ist „Kinder im Krieg“, den sich die Schüler ausgesucht haben. Dabei begegneten sie neben Jesus auch Janusz Korczak, dem jüdischen Kinderarzt, der die ihm anvertrauten Waisenkinder bis in den Tod, ins Konzentrationslager Treblinka, begleitete. Ihre Arbeits- und Forschungsergebnisse trugen die SuS in ihrem „Forschen:Kultur Tagebücher“ zusammen. Darüber hinaus besuchten sie die Ausstellung „Kein Stillleben“ in der Kestner Gesellschaft. Auf einigen Werken von Christa Dichgans sind neben Spielzeug Waffen abgebildet, auf anderen Bildern sind Papierflieger, die durch ihre Anordnung wie Kampfflugzeuge wirken, zu sehen. Der Fotograph Magnus Wennman hat mit seiner Kamera Kinder in ihren Schlafstätten auf ihrer Flucht aus Syrien festgehalten. Mit beiden Künstlern begegnet den Schülern die Divergenz zwischen geborgener und ungeborgener Kindheit.

Den Abschluss des Projektes bildete die Gestaltung eines eigenen „Friedensmahnmals“ bilden. Dazu fanden Workshops in den Rosebuschverlassenschaften statt. Je nach Neigung konnten die Schüler malen, zeichnen, schreiben, hämmern. Innerhalb der Workshops entwickelten sie gemeinsam mit der Künstlerin Almut Breuste ihre Vorstellungen eines Mahnmals für den Frieden. Dabei spielte „Achtung“ – sowohl vor den Mitmenschen wie auch die vor den verwendeten Materialien – eine wichtige Rolle. Außerdem wurde das Erinnern und das in Erinnerung bleiben thematisiert. Andere Kunstwerke der Schülerinnen und Schüler werden in der Kestner Gesellschaft ausgestellt werden.

 


Projekt 4: Auseinandersetzung mit der Gedenkplatte zum Zweiten Weltkrieg mit Blick auf die besondere Verantwortung der Deutschen für die Verbrechen des Nationalsozialismus

Beteiligt sind an diesem Projekt Schülerinnen und Schüler des Wahlpflichtkurses Gesellschaftslehre des zehnten Jahrgangs und aus dem sechsten Jahrgang. Dabei soll die Form des Peerteaching dazu führen, dass die jüngeren von den älteren Schülern und die älteren von den jüngeren lernen. Die Schüler des sechsten Jahrgangs werden z.B. Justus Bier, einen ehemaligen Direktor der Kestner Gesellschaft kennen lernen, dessen Einsatz für die moderne Kunst und Haltung gegen den Nationalsozialismus beispielhaft ist. Es wird nicht nur darum gehen, was Justus Bier in seiner Einstellung geprägt hat, sondern auch um die Frage, wie sich die Kirchen Deutschlands zur Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung verhielten? Ferner soll ein Film, in dem auch der Ausdruck von Gefühlen mittels der Musik thematisiert wird, zur „Erinnerungskultur“ entstehen. Die Musik steuert u.a. der Wahlpflichtkurs des zehnten Jahrgangs bei.

 

Gedenkstein für die „Opfer der Heimat in den Kriegsjahren 1939/45“


Projekt 5. Engagement für den Frieden

Jahrgangsübergreifend sollen in verschiedenen Projekten unterschiedliche Methoden für ein friedliches Zusammenleben erlernt werden. Dabei werden die Gebote der Nächsten- und Feindesliebe berücksichtigt, um die Schülerinnen und Schüler für den Kern der christlichen Ethik zu sensibilisieren. Zudem werden die Schüler zum Friedenssicherungskonzept der Bundesrepublik Deutschland Stellung nehmen und exemplarisch weltpolitische Konfliktlösungen nach dem zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart beurteilen.


Projekt 6: Volkstrauertag 2018

Ziel ist es, eine aktualisierte Form der Gottesdienstgestaltung und -beteiligung am Volkstrauertag zum 100. Jahrestag des Endes des 1. Weltkrieges mit Einbeziehung des Friedensmahlmals zu entwickeln. Sofern eine Woche vor dem Volkstrauertag, am Friedensonntag, den 11. November 2018, die Doppel-Stele Frieden enthüllt worden ist, wird es an diesem Tag zu einem Perspektivwechsel von rückblickendem Erinnern und Gedenken hin zur zukunftsorientierten Friedensarbeit kommen.